Post & Kommunikation

An einem Wochenende habe ich ein Paket von Mama und Papa bekommen mit Eiskonfekt und einer Puppe. Den Schwestern hat das nicht gefallen. Sie haben mir die Puppe weggenommen und gesagt ich bekomme sie erst bei der Abreise zurück. Die Süßigkeiten musste ich mit allen teilen. Das fand ich nicht gerecht. Das Paket war für mich und die Schwester dürfen mir meine Sachen doch nicht einfach wegnehmen. Sie haben gesagt es wäre gerechter für alle, wenn jeder was von den Süßigkeiten bekommt, aber ich möchte selbst entscheiden mit wem ich meine Geschenke teile. Eiskonfekt mag ich von allen Süßigkeiten am liebsten und ich habe nur ein Stück davon bekommen! Ich habe Mama und Papa am Mittwoch sofort geschrieben was passiert ist.

Denn jeden Mittwoch ist Schreibtag und wir sollen unseren Familien Karten schreiben. Die Schwestern sind immer dabei und sie lesen unsere Karten bevor wir sie abschicken. Den jüngeren Kindern helfen sie am meisten und sagen ihnen auch was sie schreiben sollen, weil ihnen sonst nichts einfällt. Als die Schwester meine Karte gelesen hat, meinte sie ich solle lieber eine neue Karte schreiben. Sie hat gesagt Mama und Papa würden nicht hören wollen, dass ich unglücklich sei. Ich solle ihnen lieber etwas Schönes schreiben oder erzählen, wie das Wetter ist. Wir schrieben dann immer nur über das Wetter. Die Schwester hat mir dann bei der nächsten Karte geholfen und gesagt was ich schreiben soll. Ich wünschte ich könnte meine Familie sehen. Ich war schon ganz lange im Kurheim und keiner sagte mir, wann ich zurück nach Hause kann. Ich vermisste alle ganz schrecklich.


Hintergrund: Der Kontakt zu den Erziehungsberechtigten beschränkte sich in den meisten Fällen auf das Schreiben von Briefen und Postkarten. In wenigen Einrichtungen durften die Kinder zu bestimmten Terminen mit ihren Eltern telefonieren. Regelmäßig sollten die Kinder ihren Eltern einen Brief oder eine Postkarte schreiben, um vom Aufenthalt zu berichten. Die Inhalte, die kommuniziert werden durften, waren stark eingeschränkt. Post, in der die Kinder sich negativ zum Aufenthalt äußerten, weinten oder kommunizierten, dass sie Heimweh hatten, wurden nicht verschickt, sondern umdiktiert. Die Briefe wurden von Mitarbeitenden kontrolliert, die den Kindern mitteilten, wenn Sie einen neuen Brief schreiben mussten. Viele der Postkarten folgen einem bestimmten Muster. Die Karten der jüngeren Kinder wurden von den Betreuungskräften verfasst.