Der Waschsaal (+ Bettnässen)





Petra an der Kinderheilanstalt (Nebengebäude)

Vom Schlafraum gingen wir alle zusammen morgens in einen großen Waschraum. So viele Waschbecken waren da. Wir gingen zu dritt an ein Becken, um uns zu waschen und die Zähne zu putzen. Quatschen konnten wir dabei nicht. Die Tanten sind streng, sie wollen keinen Lärm und achteten darauf, dass alle sich waschen. Auch unsere Nägel wurden kontrolliert. Marias Nägel werden von einer Tante noch einmal nachgeschnitten. So kurz, dass sie anfing zu weinen und es an den Fingerspitzen blutete.

Nachdem wir mit dem Waschen fertig waren, wurde ein kleines Mädchen, vielleicht vier Jahre alt, von den Tanten in die Mitte des Raumes gestellt. Wir sollten alle zuhören. Die Tante hielt ein Bettlaken hoch, auf dem gelbliche Flecken zu sehen waren. Die Tante sagte, dass das kleine Mädchen unartig war und ins Bett gemacht habe. So etwas sei verboten. Die Kleine fing an zu weinen. Wir hatten Angst, weil die Tante so böse war. Von da an mieden wir das Mädchen. Niemand will mit einer Bettnässerin befreundet sein.

 

Hintergrund: Die Unterbringung der Waschsäle unterschied sich in den Einrichtungen. In einigen Häusern gab es Duschsäle, in anderen Häusern lediglich Waschräume mit Waschbecken. Viele Betroffene berichten, dass die offenen Waschsäle, in denen mehrere Kinder nackt waren, in ihnen ein Gefühl der Scham auslösten. In einigen Institutionen war der Weg zu den Waschsälen sehr weit von einigen Stationen entfernt, was diese Scham verstärkte. Hygiene spielte in den Kinderkureinrichtungen eine wichtige Rolle. Insbesondere die jüngeren Kinder waren auf die Unterstützung des Betreuungspersonal angewiesen.
Ein besonderer Arbeitsaufwand für das Personal waren die Bettnässer. Viele Einrichtungen schlossen die Aufnahme von bettnässenden Kindern aus – andere hingegen spezialisierten sich auf die Behandlung dieser Kinder. Bettnässen wurde in vielen Einrichtungen bestraft und öffentlich zur Schau gestellt, was den Druck auf die Kinder erhöhte.